Wie lässt sich die Leistung eines Teams verbessern?
Viele Scrum Master kratzen hierbei nur an der Oberfläche. Sie führen zwar Sprint-Plannings und Retrospektiven ein. Wirkliche Auswirkungen auf die Leistung des Teams scheint das aber nicht zu haben.
Was hat aber nachweislich positive Auswirkungen auf eine bessere Teamleistung?
Was sind die Hebel, die wir als Scrum Master ziehen können, die wirklich funktionieren? Und wenn ich von „wirklich“ spreche, dann meine ich wissenschaftlich belegt. Drei dieser Hebel will ich dir heute vorstellen. Ich habe sie für dich in drei konkrete Tipps formuliert, damit du sie direkt nutzen kannst.
Los geht es:
Tipp 1: Verhindere Teamkonflikte
Fördern Konflikte die Teamleistung?
Ich erinnere mich an einige Refinement-Sessions. In diesen plädierten die Entwickler mehr als nur leidenschaftlich dafür, ihre Lösung einer anderen vorzuziehen. Deshalb vertrat ich lange den Standpunkt, dass ein kleiner Konflikt ein Motor sein kann, um Leistung oder vielleicht sogar Innovation im Team zu fördern. Mit dieser Meinung stehe ich nicht alleine da. Ein Blick in die Literatur der letzten 25 Jahre zeigt, dass sich immer mehr die Annahme durchgesetzt hat, dass Beziehungskonflikte der Teameffektivität schaden. Aufgabenkonflikte – also Differenzen in der Sache – können aber durchaus förderlich für die Teameffizienz sein.
Umso mehr überraschte mich diese Studie:
Die Organisationspsychologen De Dreu von der Universität in Amsterdam und Weingart von der Carnegie Mellon University untersuchten in ihrer Meta-Analyse den Einfluss von Aufgaben- und Beziehungskonflikten auf die Teamleistung und die Zufriedenheit. Das Ergebnis erstaunte auch sie. Ihre Arbeit zeigt, dass sowohl Aufgaben- als auch Beziehungskonflikte negative Auswirkungen auf Teamleistung und Zufriedenheit haben. Damit widerlegten sie die gängige Meinung, dass Aufgabenkonflikte in der Arbeit von Teams hilfreich sein könnten.
Wie gehen wir als Scrum Master mit dieser Erkenntnis um?
Konflikte können nur verhindert werden, wenn wir sie frühzeitig erkennen. Wenn es erst einmal Vorwürfe und böse Worte hagelt, ist es fast unausweichlich, dass das Team zerbricht. Und das kommt Unternehmen dann teuer zu stehen. Mitarbeiter wollen Teams verlassen, melden sich krank oder verlassen das Unternehmen ganz. All das verursacht am Ende Kosten für das Unternehmen, die hätten vermieden werden können. So viel steht fest.
Deshalb versuche ich, Konflikte frühzeitig zu erkennen.
Ein hilfreiches Modell dafür sind die Konfliktstufen nach Friedrich Glasl:
- Stufe 1: Verhärtung
- Stufe 2: Debatte und Polarisation
- Stufe 3: Taten statt Worte
- Stufe 4: Sorge um das Image
- Stufe 5: Gesichtsverlust
- Stufe 6: Drohstrategien
- Stufe 7: Begrenzte Vernichtungsschläge
- Stufe 8: Zersplitterung
- Stufe 9: Gemeinsam in den Abgrund
Jede einzelne Stufe geht mit einer immer geringeren Möglichkeit zur Selbstbeherrschung einher – und der Konflikt eskaliert immer weiter.
Möchtest du die Teamleistung verbessern?
Achte besonders darauf, ob Argumente ständig wiederholt werden. Achte auch darauf, ob Diskussionen zunehmend emotionaler geführt werden und einzelne Teammitglieder spürbar auf Distanz zueinander gehen. Auch können verschränkte Arme, das Ausweichen von Blickkontakt, Seufzen oder ein leicht gereizter Tonfall ein Indiz dafür sein.
Erkennst du diese Zeichen, bist du als Scrum Master gefragt.
Tipp 2: Fördere Autonomie
Selbstmanagement wird außerhalb der Scrum Community häufig belächelt.
Als Scrum Master sollten wir uns aber davon in unserer Arbeit nicht beirren lassen. Denn diese Art der Arbeit stellt erwiesenermaßen einen Hebel für bessere Teamleistung dar.
Die Arbeits- und Organisationspsychologinnen Buvik und Tkalich haben dazu im Jahr 2021 eine Studie veröffentlicht. Die Studie basiert auf Umfragedaten von 236 Teammitgliedern aus 43 Softwareentwicklungsteams in Norwegen und zeigt, dass Autonomie die psychologische Sicherheit in den Teams fördert, was wiederum positive Effekte auf die Teamreflexivität und auf die Teamleistung hat.
In der Arbeit wird Autonomie so definiert:
Das Team kann frei entscheiden, wie es die Arbeit erledigen will.
Diese Definition deckt sich mit der Definition von Selbstmanagement im Scrum Guide:
„Scrum Teams sind interdisziplinär, d. h. die Mitglieder verfügen über alle Fähigkeiten, die erforderlich sind, um in jedem Sprint Wert zu schaffen. Sie managen sich außerdem selbst, d. h. sie entscheiden intern, wer was wann und wie macht.“
Hier einige Beispiele dafür, worauf du achten kannst, wenn du das Selbstmanagement im Team fördern willst:
- Im Sprint-Planning wählen die Entwickler die Einträge aus dem Product-Backlog aus. Niemand befüllt das Sprint-Backlog bereits vor dem Sprint-Planning. Nicht der Product-Owner. Nicht der Scrum Master. Niemand.
- Das Sprint-Backlog liegt in den Händen der Entwickler. Tasks erstellen, verändern oder löschen dürfen nur die Entwickler.
- Die Trennung der Verantwortung zwischen Product-Owner und Entwicklern hilft, schneller zu entscheiden. Diese Verantwortung sollte von jedem verstanden worden sein.
Willst du die Teamleistung fördern?
Dann hilf dem Team dabei, die Arbeit selbst zu managen. Dieser Grad an Autonomie kann langfristig positive Auswirkungen auf die Teamleistung haben.
Tipp 3: Fördere ein agiles Mindset
Im letzten Jahr habe ich die Organisationspsychologin Dr. Karen Eilers interviewt.
Karen forscht zum agilen Mindset, wobei das agile Mindset die positive Einstellung einer Person hinsichtlich
- Lernorientierung,
- kollaborativem Austausch,
- Kunden-Ko-Kreation und
- Selbstführung
beschreibt.
Im Interview hat mir Karen verraten: Sie konnte nachweisen, dass das agile Mindset nicht nur existiert. Sie konnte auch bestätigen, dass es sich positiv auf die Produktivität auswirkt. Soll heißen: Je agiler das Mindset der einzelnen Teammitglieder ist, desto produktiver ist das Scrum Team. Die Förderung eines agilen Mindsets im Team lohnt sich also für Scrum Master, die die Teamleistung verbessern wollen.
Wie können wir als Scrum Master das agile Mindset fördern?
Diese Frage habe ich Karen auch gestellt, und die Antwort hat mich erstaunt. Sie klingt sogar im ersten Moment paradox.
Karen hat mir geraten: Wenn ich das agile Mindset bei anderen entwickeln will, kann ich dies nur tun, indem ich mein agiles Mindset entwickle und – jetzt kommt die entscheidende Erkenntnis – meine persönliche Entwicklung dabei beobachtbar mache.
Konkret hat sie mir den Tipp gegeben:
Mach deine persönliche Entwicklung durch regelmäßige Reflexion sichtbar. Etwa indem du das Team bittest, dir zu den vier Bereichen, die das agile Mindset ausmachen, Feedback zu geben. Und dann teilst du dem Team mit, welche Verbesserungen dir leichtgefallen sind und womit du noch kämpfst.
Damit fördere ich das agile Mindset im Team und helfe aktiv als Scrum Master mit, die Leistung des Teams zu verbessern.
Suchst du neben den Hebeln und Tipps, wie du die Leistung deines Teams verbessern kannst, auch noch nach konkreten Werkzeugen?
Dann empfehle ich dir das „Professional Scrum Master – Advanced“-Training.
Dort lernst du:
- wie du die Definition-of-Done nutzt, um Risiken in der Softwareentwicklung frühzeitig zu erkennen,
- Strategien, die Product-Ownern in jeder erdenklichen Misslage helfen werden,
- ein Vorgehen, mit dem du mit jedem Stakeholder Gespräche über Veränderung strukturiert durchführst,
- mit welchen Metriken du den Erfolg deines Teams quantifizieren kannst
- und noch viel mehr.
Neugierig, wie das Training abläuft? Dann wirf doch einen Blick hierauf:
Über 271 Scrum Master sind meiner Empfehlung bereits gefolgt, vielleicht lernen wir uns auch bald persönlich im Training kennen? Marc und ich freuen uns schon.
Bis dahin... Scrum on.