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3 Lernmythen entlarvt und warum Trainer (noch) nicht überflüssig sind

July 3, 2025

Am zweiten Tag meines „Training from the Back of the Room“-Trainings verabschiede ich die Teilnehmer, indem ich ihnen ein Rätsel aus dem Jahr 1858 aus Pappe austeile.

„Zwei Reiter, zwei Esel. Eure Aufgabe ist: Setzt die Reiter so auf die Esel, dass sie wirklich darauf sitzen.“

Das klingt einfach. Doch wenn die Teilnehmer es versuchen, merken sie schnell:

Irgendetwas stimmt nie. Die Beine passen nicht, der Winkel wirkt falsch, nichts sieht „richtig“ aus.

Nicht selten braucht es am nächsten Morgen einen kleinen Hinweis, bevor es Klick macht. Alle Informationen waren von Anfang an da. Aber erst mit einer anderen Perspektive, einem kleinen Impuls, fügt sich alles zusammen. Und das ist der Grund, warum ich glaube, dass Trainer wichtiger sind als je zuvor.

Was uns zum ersten Mythos bringt:

Mythos #1: Trainer sind überflüssig: Lernen erfolgt über Online-Lernplattformen

Es ist kein Geheimnis: Online-Lernplattformen sind auf dem Vormarsch.

Ob die Khan Academy fürs Programmieren, LinkedIn Learning fürs Projektmanagement oder edX für Wissenschaften – die Liste von Online-Lernplattformen ist endlos. Und die Nutzung von Online-Lernplattformen hat in den letzten Jahren erheblich zugenommen. So verzeichnete beispielsweise die Plattform Duolingo im Jahr 2019 fast 1 Million zahlende Nutzer – und Ende 2024 bereits knapp 10 Millionen. Jetzt könnten wir zum Schluss kommen:

Online-Lernplattformen machen Schulungen und Trainer überflüssig.

Allerdings gibt es mit diesem Schluss ein Problem:

Anfänger überschätzen ihre Fähigkeiten.

Dieses übermäßige Selbstvertrauen führt häufig dazu, dass Lerner während des selbstgesteuerten Unterrichts schlechte Entscheidungen treffen – etwa indem sie verfügbare Unterstützung und Hilfskanäle nicht nutzen. Hierzu schreibt Dr. Zach Groshell: „Natürlich wäre es in Ordnung, wenn ein Unterricht, bei dem es nur um das Lösen von Problemen geht, genauso effektiv oder sogar besser wäre als ein Unterricht, der damit beginnt, den Schülern beizubringen, wie sie Probleme lösen können. Jahrzehntelange Forschung zum entdeckenden Lernen zeigt uns, dass dies nicht der Fall ist.“

Die Erkenntnis: Auch selbstgesteuertes Lernen muss gelernt werden.

Um erfolgreich zu lernen, müssen Lerner

  • sich Ziele setzen,
  • ihren Lernfortschritt kritisch verfolgen und
  • ihren Lernprozess reflektieren können.

Und hier stoßen viele an ihre Grenzen. Vielen fehlen schlichtweg die Fähigkeiten.

Deshalb können wir die Aussage „Trainer sind überflüssig“ erst einmal als Mythos abtun.

Gleichzeitig sollten wir sie allerdings auch als Weckruf sehen. Die Aufgabe von Trainern wird sich wandeln. Es geht nicht mehr um reine Wissensvermittlung, sondern verstärkt darum, eine Lernkultur im Unternehmen zu schaffen. Trainer unterstützen Lerner beim Zeitmanagement, dabei, sich Ziele zu setzen und Hindernisse zu überwinden – ein Beispiel dafür ist, den Lernern zu zeigen, wo sie Lernmaterialien finden können.

Und „Lernziele“ bringen uns direkt zum nächsten Mythos:

Mythos #2: Wenn das Lernziel erst einmal aufgeschrieben ist, stellt sich der Lernerfolg von selbst ein

Macht Ziele aufzuschreiben erfolgreicher?

Im Jahr 1953 befragten Forscher die Absolventen von Yale, wie viele von ihnen konkrete, schriftliche Ziele für ihre Zukunft hatten. Die Antwort: 3 %. Zwanzig Jahre später befragten die Forscher die überlebenden Mitglieder der Klasse von 1953 erneut. Dabei fanden sie heraus, dass die 3 % mit Zielen mehr persönliches Finanzvermögen angesammelt hatten als die anderen 97 % der Klasse zusammen.

Leider hat diese Studie nie stattgefunden, obwohl sie häufig zitiert wird. Trotz intensiver Suche konnten weder in Harvard noch an der Yale University Belege gefunden werden.

Diese Legende hat Dr. Gail Matthews an der Dominican University of California inspiriert, eine ähnliche Studie durchzuführen.

An ihrer Studie nahmen 267 Personen aus unterschiedlichen Ländern und Berufsgruppen teil und wurden zufällig in fünf Gruppen aufgeteilt:

  1. Gruppe: Dachte lediglich über ihre Ziele nach.

  2. Gruppe: Schrieb ihre Ziele auf.

  3. Gruppe: Schrieb Ziele auf und formulierte konkrete Handlungsschritte.

  4. Gruppe: Schrieb Ziele und Handlungsschritte auf und teilte diese mit einer unterstützenden Person.

  5. Gruppe: Wie Gruppe 4, zusätzlich mit wöchentlichen Fortschrittsberichten an die unterstützende Person.

Nach vier Wochen bewerteten die Teilnehmer ihren Fortschritt auf einer Skala von 1 bis 10:

  • Gruppe 1: 4
  • Gruppe 2: 6
  • Gruppe 3: 5
  • Gruppe 4: 6
  • Gruppe 5: 7

Damit konnte Matthews nicht nur den Mythos bestätigen, sondern auch zeigen, …

  • dass das bloße Aufschreiben von Zielen die Erfolgsquote signifikant erhöht.
  • dass die Kombination aus schriftlichen Zielen, konkreten Handlungsschritten und sozialer Unterstützung die Zielerreichung weiter verbessert.
  • dass regelmäßige Fortschrittsberichte an eine unterstützende Person den größten positiven Effekt auf die Zielerreichung haben.

Wie können wir diese Erkenntnisse für uns als Trainer nutzen?

Wir sollten Lernern helfen,

  • ihre Ziele aufzuschreiben,
  • konkrete Handlungsschritte zur Erreichung zu formulieren und
  • soziale Unterstützung zu finden.

Die eigentliche Aufgabe von Trainern:

Lerner zu motivieren und zu unterstützen, ihren Lernprozess selbst in die Hand zu nehmen.

Mythos #3: Die Lernpyramide – Die Wahrheit über „Erfahrung ist der beste Lehrer.“

Im Jahr 1946 entwickelte Edgar Dale das Lernmodell „Cone of Experience“.

Wir merken uns

  • 10 Prozent von dem, was wir lesen,
  • 20 Prozent von dem, was wir hören,
  • 30 Prozent von dem, was wir sehen,
  • 50 Prozent von dem, was wir sehen und hören,
  • 70 Prozent von dem, was wir sagen und schreiben,
  • 90 Prozent von dem, was wir selbst tun oder anderen erklären.

Allerdings gibt es für diese Prozentwerte keinerlei Belege. Mehr noch: Es ist sogar so, dass sie nicht von Edgar Dale stammen. Die Zahlen tauchten erstmals 1967 in einem Artikel von D. G. Treichler in der Zeitschrift „Film and Audio-Visual Communications“ auf.

Es besteht somit kein empirischer Nachweis, dass die Aussage „Erfahrung ist der beste Lehrer“ wirklich zutrifft. Somit ist die Lernpyramide – oder zumindest ihre Abstufung durch Prozentwerte – ein Mythos.

Was hingegen kein Mythos ist:

Je mehr Sinne wir beim Lernen einsetzen, desto wahrscheinlicher ist es, dass wir uns den Inhalt länger merken können.

Deshalb sollten wir Trainings immer nach dem „6X-6W“-Prinzip entwerfen. Das bedeutet: sechsmal mit sechs Sinnen. Das erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass sich die Lerner noch lange an den Inhalt erinnern können.

Abschluss: Schulung und Trainer sind (noch) nicht überflüssig

Die drei Mythen zeigen deutlich:

Lernen ist kein Selbstläufer – auch nicht mit Online-Plattformen.

Ohne zu lernen, wie wir selbstbestimmt wirklich lernen, werden die Ergebnisse ausbleiben. Trainer sind heute mehr denn je gefragt, nicht nur Inhalte zu vermitteln, sondern vor allem die Fähigkeit zu fördern, effektiv zu lernen.

Konkret bedeutet das:

  • sinnvolle Lernziele formulieren,
  • den eigenen Lernfortschritt reflektieren,
  • Feedback gezielt einholen und nutzen,
  • konstruktiv mit Rückschlägen umgehen und
  • Lernen nahtlos in den Arbeitsalltag integrieren.

Wenn du dabei Unterstützung suchst, dann empfehle ich dir meinem kostenlosen E-Mail-Kurs „Crash-Kurs für Trainer" lernst du in fünf Lektionen, wie du die 5 häufigsten Fehler in Schulungen vermeiden kannst und stattdessen Austausch und Beteiligung förderst, damit die Teilnehmer lange von deiner Schulung schwärmen.

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