Da ich bereits „Scrum Master“ bin, dachte ich, ich wäre bereits ein guter Facilitator.
Zu meiner Schande muss ich allerdings gestehen, dass ich dabei die Rolle des Facilitators mit der des Moderators verwechselt habe. Was es heißt, ein Facilitator zu sein und was der Unterschied zu einem Moderator ist, wurde mir erst schmerzlich bewusst, als ich am eigenen Leib erfahren habe, wie Barry Overeem und Christiaan Verwijs Workshops und Trainings facilitieren.
Ein Moderator steuert, ein Facilitator ermöglicht.
Die Dinge, die ich mir von Christiaan und Barry abgeschaut habe, versuche ich seither in meiner Arbeit umzusetzen. In den vergangenen Jahren habe ich über 60 Professional Scrum Trainings gegeben und dabei haben sich 5 Dinge immer bewährt:
1. Wiederhole jede Einladung mindestens zweimal
Klar und präzise formulierte Übungseinladungen, die jeder Teilnehmer verstanden hat, sind ein Garant für ein erfolgreiches Training.
Um sicherzustellen, dass die Teilnehmer die Übung verstanden haben, ist es wichtig, die Einladung mindestens einmal zu wiederholen und jedem die Möglichkeit zu geben, noch vor der Übung eine Rückfrage zu stellen.
Bei der Einladung hat sich für mich folgendes Template bewährt:
In wenigen Augenblicken seid ihr eingeladen, in Gruppen zu [Anzahl] Personen folgende Aufgabenstellung zu bearbeiten: [Beschreibung des Übungsergebnisses]. Dafür habt ihr [Anzahl] Minuten Zeit. Bevor ihr mit der Übung beginnt: Gibt es von eurer Seite noch eine Frage zur Übungsdurchführung?
2. Erkläre die einzelnen Übungsschritte zeitnah
Wenn ich Übungen anleite, die aus mehreren Einzelschritten bestehen, dann erkläre ich jeden Schritt separat. Ich erkläre den Schritt erst dann, wenn die Teilnehmer diesen auch tatsächlich ausführen. Erklärt man alle Schritte gleich zu Beginn, verwirrt dies die Übenden häufig.
Um die Teilnehmer darüber zu informieren, dass die Übung aus mehreren Teilen besteht, ergänze ich die Einladung wie folgt:
In wenigen Augenblicken seid ihr eingeladen, in Gruppen zu [Anzahl] Personen folgende Aufgabenstellung zu bearbeiten: [Beschreibung des Übungsergebnis].
Damit wir dieses Übungsergebnis erreichen, sind mehrere Schritte nötig. Im ersten Schritt erarbeitet ihr bitte folgende Teilfragestellung: [Beschreibung des ersten Teilergebnisses]
Dafür habt ihr [Anzahl] Minuten Zeit. Bevor ihr mit der Übung beginnt: Gibt es von eurer Seite noch eine Frage zur Übungsdurchführung?
Erst nachdem der erste Schritt durchgeführt wurde, erkläre ich den nächsten. So stelle ich sicher, dass die Teilnehmer sich stets nur auf ein zu erreichendes Ergebnis fokussieren müssen. Darüber hinaus haben sie bei jeder weiteren Einladung wieder die Möglichkeit, offene Fragen zu klären.
3. Gib Teilnehmern eine Minute zum individuellen Denken
In Workshops oder Meetings beobachte ich häufig, dass sich, nachdem ein Teilnehmer seinen Vorschlag vorgestellt hat, die weitere Diskussion ausschließlich um diese eine Idee dreht.
Um diese einseitige Sicht auf eine Fragestellung zu verhindern, hat es sich für mich bewährt, jedem Teilnehmer einen Moment des eigenständigen Nachdenkens zu geben. Wenn jeder Teilnehmer die Möglichkeit bekommt, erst eine eigene Antwort auf eine Frage zu formulieren, erhöht dies die Wahrscheinlichkeit, dass in der anschließenden Zusammenarbeit auch unterschiedliche Lösungsansätze betrachtet werden.
Um diese Methode umzusetzen, kann man entweder den kurzen und stillen Moment als ersten Schritt in die Übungsanleitung aufnehmen oder die Einladung wie folgt anpassen:
In wenigen Augenblicken seid ihr eingeladen, in Gruppen zu [Anzahl] Personen folgende Aufgabenstellung zu bearbeiten: [Beschreibung des Übungsergebnisses]. Dafür habt ihr [Anzahl] Minuten Zeit. Bevor ihr mit der Übung beginnt: Gibt es von eurer Seite noch eine Frage zur Übungsdurchführung?
Wenn ihr euch in eurer Gruppe eingefunden habt, macht ihr euch bitte erst eine Minute in Ruhe eure eigenen Gedanken zur Aufgabenstellung. Erst im Anschluss daran diskutiert ihr eure Ideen mit der Gruppe.
Nach meiner Erfahrung hat sich hierbei eine Minute als die perfekte Zeitspanne bewährt. Eine Minute gibt jedem die Chance, seine eigenen Überlegungen zur Einladung anzustellen, und sie ist kurz genug, damit die Teilnehmer nicht abschweifen.
4. Halte die Timeboxen ein
Einen Zeitrahmen für Übungen, die sogenannten Timeboxen, festzulegen, ist der Schlüssel für Ergebnisse.
In Scrum fördern Sprints, dass sich Scrum Teams auf das Wesentliche fokussieren: Am Ende des Sprints muss ein nutzbares Inkrement zur Verfügung stehen. In Workshops fördert eine fest vorgegebene Timebox, dass sich die Teilnehmer bei der Übung auf das Wesentliche fokussieren: ein Ergebnis zur vorliegenden Fragestellung zu finden, mit dem anschließend weitergearbeitet werden kann.
Das Ergebnis wird nicht perfekt sein. Aber anstatt sich auf Perfektion zu konzentrieren, ermutigen Timeboxen die Teilnehmer, sich auf den Fortschritt zu konzentrieren.
Um Timeboxing effektiv in Trainings oder Workshops zu verwenden, müssen diese transparent sein. Ich mache die Timebox transparent, indem ich sie zu Beginn einer Übung ankündige und die Uhr, in welcher die Zeit abläuft, für alle sichtbar positioniere.
Jede Übung mit einer Minute zum individuellen Denken zu beginnen und nach einer festen Zeitspanne zu beenden, ermöglicht es, die Balance zwischen Kreativität und einer konkreten Lösung zu halten.
5. Achte beim Debrief auf Vielfalt
Neben der Einladung ist der Debrief am Ende einer Übung die wichtigste Möglichkeit, um als Facilitator eine Übung zu lenken.
Die Einladung ermöglicht es die Richtung bei einer Übung vorzugeben, und der Debrief am Ende einer Übung hilft das Augenmerk auf bedeutsame Aspekte zu lenken. Ein gut facilitierter Debrief verbindet die Arbeit über einzelne Gruppen hinweg, macht Lernziele transparent, hilft Teilnehmern ihre Erfahrungen zu reflektieren und ermöglicht dem Trainer, den Inhalt zusammenzufassen.
Die zwei Fragen, die ich häufig verwende, um den Debrief einzuleiten, lauten:
Was hat die Übung für euch transparent gemacht? Zu welcher Einsicht, die für die anderen Gruppen auch relevant sein könnte, seid ihr in eurer Gruppe gelangt?
Wenn ich nach der Frage die Teilnehmer auswähle, die etwas mitteilen möchten, wähle ich die Personen so aus, dass eine optimale Vielfalt gewährleistet ist. Sollten sich immer nur die gleichen Teilnehmer melden, richte ich die Fragen gegebenenfalls auch direkt an die anderen Teilnehmer.